Er findet es absurd, dass ich ihm versuchte Pressezensur vorwerfe. Es gäbe furchtbare Interviews von ihm, weil er das früher nicht gemacht hätte, lässt sich Schauspieler und Filmproduzent Til Schweiger als Reaktion auf meine Presseerklärung auf stern.de zitieren.
Schweiger hatte nach der Pressekonferenz, auf der er als neuer Ermittler im Tatort präsentiert wurde, Interviews nur unter der Bedingung zugestimmt, dass er sie genehmigt – inklusive Zwischenüberschriften und redaktionellem Umfeld. Ist das keine versuchte Zensur?
Was ist es dann?
Es ist eine Behinderung journalistischer Arbeit, sich derart in die Belange eines Mediums einzumischen. „Stets soll das Interview auf möglichst unterhaltsame Art nicht nur Wissen und Meinung, sondern auch die Denkweise bemerkenswerter oder aufschlussreicher Personen als Argumentationsfolge in einer authentischen Form zur Darstellung bringen“, heißt es in dem Handbuch für Journalisten, „Das Interview“ von Michael Haller. . Es ist ein 460-Seiten-Schinken, in dem alles, aber auch wirklich alles über „Das Interview“ steht. Ein Muss für jede/n VolontärIn.
Fakt ist: Die Journalistin/der Journalist wählt mit dem Interview eine schwierige Darstellungsform, denn die Aussagen der/s Interviewten lassen sich nur bedingt beeinflussen. Es kann geschickt gefragt werden, es kann nachgefragt werden. Aber was jemand sagt, ist Sache desjenigen. Wenn Til Schweiger frühere Interviews von sich furchtbar fand, kann das daher drei Ursachen haben: Schlechter Journalismus, schlechte Antworten oder Schweiger hat ein problematische Verhältnis zur Presse.
Wie ein Interview entsteht und dass dabei die Grundregeln der Pressefreiheit eingehalten werden, ist auch wichtig, wenn es „nur“ um einen Krimi geht. Denn der „Tatort“ hat in seinem Genre eine Leitfunktion. Und der Sender ist nicht irgendeiner, sondern die ARD wird mit Gebühren finanziert. Die ARD hat auch den Anspruch, seriös und unabhängig zu sein. Mal andersrum gefragt: Würde sich die ARD-Sendung „Panorama“ gefallen lassen, dass die Endfassung eines Beitrages noch einmal zu denjenigen geht, über die berichtet wird? Meine Partei DIE LINKE hat in der Vergangenheit oft genug schmerzhaft zu spüren bekommen, wie es ist, sich gefallen lassen zu müssen, kritisch bis hin zur gefühlten Hinrichtung dargestellt zu werden.
Kontrollierter Journalismus hat in Deutschland eine unrühmliche Geschichte, deswegen ist Sensibilität wichtig in dieser Frage. Und selbstverständlich ist es kritisch zu bewerten, wenn Interviews verfremdet und verfälscht werden. Nicht ganz zu Unrecht hat sich heute die Praxis etabliert, dass die O-Töne von Interviewten authorisiert werden. Aber was Til Schweiger versucht, ist die totale Kontrolle. Wie er Drehbücher kontrolliert und seine Filmfigur inszeniert, so möchte er auch seine Darstellung in den Medien überwachen.
Tatsache ist, dass es viele KünstlerInnen sehr gut schaffen, ihr künstlerisches Schaffen in den Vordergrund zu richten und nicht ihr Privatleben oder ihre Privatmeinung. Til Schweiger ist dies nicht immer gelungen: Seine außerehelichen Affären, sein familiäres Drama, seine populistischen Äußerungen zu Kinderschändern, seine abfälligen Äußerungen zum Tatortvorspann – Til Schweiger hat mehrfach gezeigt, dass er nicht sehr medienkompetent agiert. Vor allem denkt er offenbar wenig über die Folgen seines öffentlichen Verhaltens nach. Es mag sein, dass er dies nun erkannt hat und sozusagen im Hauruck die Sünden seiner Vergangenheit nicht wiederholen möchte. Nur gelingt ihm dies – zumindest derzeit – nicht sehr gut.
Haller weist daraufhin, dass die Interviewkultur bedroht ist: Wettbewerbsdruck und sinkende Anzeigenerlöse forcieren das Gefälligkeitsinterview. Das schrieb er schon vor über 20 Jahren! Umso mehr muss es Verpflichtung sein, immer wieder darum zu ringen, sich Einmischerei in die Darstellung nicht gefallen zu lassen. Es muss aber genauso Verpflichtung sein, ein Interview authentisch zu führen – um die Leserschaft möglichst gut zu unterhalten. Kontrollwahn eines Schauspielers sind nicht das geeignete Mittel, um diese Balance zu finden.
Der NDR wäre gut beraten, mit seinen Quotenbringern entsprechende Exkurse zu führen. Es geht nämlich um das Image der öffentlich-rechtlich finanzierten Medien. Ein Interview ist eben kein Drehbuch.
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