Mit frei Themen hat sich das Frauenplenum, das satzungsgemäß vor unserem Landesparteitag stattgefunden hat, befasst: Wahlkampf für Frauen, achter März und Arbeit für Frauen.
Zum Internationalen Frauentag habe ich ein Referat gehalten, das ich hier dokumentieren möchte. Als Antrag las dem Frauenplenum ein Vorschlag von mir vor, der sich mit der Thematik Arbeitsplätze für Frauen befasst. Er wurde kontrovers diskutiert und mit großer Mehrheit dem Parteitag zur Annahme empfohlen.
Redebeitrag auf dem Frauenplenum der Partei DIE LINKE, Landesverband Hamburg, zum Internationalen Frauentag 2013
Liebe Frauen, liebe Genossinnen,
der Anlass des Internationalen Frauentages hatte handfeste ökonomische Gründe: Die Frauen forderten damals neben dem Wahlrecht Mindestlöhne und einen Acht-Stundentag.
Circa 8.000 Generationen zählt die Menschheit, sie hat im Grunde genommen eine Vielfalt von Geschlechtern hervorgebracht. Trotzdem will ich es heute bei zweien – Männern und Frauen – belassen. Es geht mir heute darum, deutlich zu machen, dass wir die historische Chance haben, eine ausgewogene Balance der Gerechtigkeit unter den Geschlechtern herzustellen. Der Stand der Produktivität aber auch die heutige reproduktive Situation geben uns die Möglichkeiten, sämtliche Diskriminierung zu beseitigen. Wir müssen hierfür aber unsere Argumentation schärfen und unseren Blick konsequent auf die Hauptursachen lenken. Die Ökonomie.
Es ist egal, auf welche Zeit wir zurückschauen, Frauen und Männer hatten immer Arbeitsteilungen. Geschlechtsbezogene Arbeitsteilungen haben zu frauenfeindlichen Macht- und Unterdrückungsverhältnissen geführt. Diese sind über Tausende Jahre so verinnerlicht, dass sie von Anfang an greifen: Weibliche Föten haben ein größeres Risiko, abgetrieben zu werden – sodass sich zum Beispiel in China wegen des Frauenmangels ganz fatale Entwicklungen in der Bevölkerungspolitik abzeichnen. Mädchen werden weniger gestillt als Jungen, übrigens auch hier in Deutschland. Und die verbrecherischen Beschneidungsrituale töten viele Mädchen oder verstümmeln sie ein Leben lang, das zudem von Schmerz und ständiger Gesundheitsgefahr vor allem bei Geburten geprägt ist.
Mädchen und Jungen sind die ersten Jahren körperlich bis auf ihr Geschlecht nicht zu unterscheiden – wenn ihre Eltern sie nicht anders behandeln, sie zum Beispiel farblich auf das ihnen zugehörige Geschlecht trimmen, würden. Ich habe zwar nichts gegen Pink oder Rosa, Kleidchen und Haarspangen, aber mit der geschlechtlichen Stigmatisierung finden eben lebenslange einseitige Prägungen in Bezug auf Verhalten und Denkweisen statt. Wir erleben die Auswirkungen immer dann besonders stark, wenn zwischengeschlechtliche Menschen in späteren Jahren ihr eigentliche Identität entwickeln, von den Eltern, Kita und Schule aber auf das andere Geschlecht geprägt wurden. Depressionen und andere psychische Erkrankungen sowie Adipositas,Suchterkrankungen und Suizide sind häufige Folgen.
Es geht weiter in der Schule: Mädchen lernen anders, häufig besser, und sie machen die besseren Abschlüsse. Auch das hängt mit ihrer Sozialisation zusammen und mit ihrem Sozialverhalten. Wir werden nicht als Mädchen geboren, liebe Genossinnen, wir werden dazu gemacht! Bei der Berufswahl und bei der Familienarbeit zeigen sich dann aller spätestens die Folgen ganz offensichtlich – und leider nur wenige Frauen stellen diese Zusammenhänge in Frage.
Ich komme zum Kern der Problematik, der im wesentlichen mit der historischen Arbeitsteilung zu tun hat.
Die Klassengesellschaft, in der wir leben, auch wenn das in den letzten Jahren immer schön wegdiskutiert wird, funktioniert dadurch, dass sie auf die Verwertung von Arbeitskräften aufbaut. Die junge Demokratie nach 1945 sowie die sozialliberale Koalition in den 1970er Jahren hat zwar viel für Bildungsgerechtigkeit und damit auch für die Emanzipation getan. Sie hat Arbeiterkinder an die Universitäten gebracht und zweite Bildungswege ermöglicht. Sie hat die Berufsbildung unter starken Einfluss der Gewerkschaften gestellt und auch den Betriebsräten eine starke Mitbestimmung gegeben. Davon haben Mädchen und Frauen profitiert. Gute Bildung allein hat aber keine völlige Gleichberechtigung gebracht.
Die Frauenbewegung hat mit dem Kampf um die körperliche Selbstbestimmung die Sexualität der Frauen emanzipiert. „Wir haben abgetrieben“ – das war in den 1970ern eine Befreiungsparole für uns!
Das Problem dabei ist gewesen: Die Strömung, die Alice Schwarzer verkörperte, war und ist konservativ, sie hat den Kapitalismus nie überwinden wollen – so, wie DIE LINKE es als gesellschaftliche Perspektive fordert!
Den verbürgerlichten, bzw. sozialdemokratischen Strömungen der Arbeiter- und Frauenbewegungen hingegen waren etwas mehr Bildungsgerechtigkeit, die Pille und eine moderate Abtreibungsregelung im Strafgesetzbuch – genug. Und da wir wissen, wie anpassbar und flexibel der Kapitalismus ist, hat er sich damit zwar ein moderneres, auch ein weiblicheres, Gesicht gegeben – aber das war es dann auch.
Frauen sind nach dem Gesetz heute gleich gestellt. Das ist ein großer historischer Fortschritt, unschätzbar für die Verwirklichung der Menschenrechte der Frau. Dennoch funktionieren weiterhin Jahrtausend alte Prägungen und geschlechtliche Machtverhältnisse. Und da wir nach wie vor unterdrückt und diskriminiert werden, hat sich der Internationale Frauentag als Kampftag der Frauen- und der ArbeiterInnenbewegung noch lange nicht erledigt.
Es sind nach wie vor die ökonomischen Verhältnisse, die die Machtfrage einseitig zu Gunsten der Männer beantworten. So ist es kein Wunder, dass die Quotenbewegung zurzeit eine so große Bedeutung hat und selbst in den Wirtschaftsressorts der überregionalen Tageszeitungen oft präsent ist: Frauen drängen an die Macht und es sind vor allem die Frauen des Establishments, die diese Forderung zuspitzen.
Es ist also vor allem die Kapitalseite und ihre politische Lobby, die die Ressourcen der Frauen erkannt hat und sich für die Quote einsetzt. Dass eine starke Strömung in der CDU sowie die FDP noch dagegen schießen, charakterisiert die Wandlung des Bürgertums – auch dort toben innere Kämpfe, es ist kein geschlossener Block.
Dass die Gewerkschaften sowie die Parteien Grüne und Linke bereits seit längerem fortschrittliche Quotenregelungen in ihren Satzungen haben, sollte nicht unbemerkt gelassen werden. Sie hatten eine wesentliche Signalwirkung. Das zeigt auch, wie flexibel und anpassungsfähig auch die Arbeiterbewegung ist und wie die Frauenbewegung dort und auch in die Ökologiebewebung hineinwirkt.
Dennoch: Ob die Quotenfrage in der Wirtschaft – die Betriebsräte haben sie übrigens schon seit zwölf Jahren – sich letztlich umfassend emanzipatorisch auf die Geschlechtergerechtigkeit auswirken wird, bezweifle ich. Die Quote nutzt heute der Rentnerin nichts und auch nicht der prekär beschäftigten Frau. Sie nutzt auch keiner Harzt-IV-Familie etwas.
Selbstverständlich, liebe Genossinnen, ist auch DIE LINKE, ist auch die Linksfraktion der Hamburgischen Bürgerschaft, ist für eine gesetzliche Quote im Management. Aus Gerechtigkeitsgründen. Weil es angemessen ist. Und weil es einfach auch zu viele unfähige Männer gibt, die Posten besetzen, die besser von einer fähigen Frauen besetzt werden können. Davon gibt es nämlich genug. Sie stoßen aber an den Gläsernen Deckel, dürfen sozusagen im Männerspiel nicht mitmachen. Weil sie gebärfähig sind, weil Männer immer noch nicht in der Lage sind, Frauen im Berufsalltag nicht zu sexualisieren, und weil sie ihre Machtposition auch über ihr Geschlecht definieren.
Ich sage dennoch, dass es mir nicht vordringlich darum geht, Frauen ins Management zu heben. Mit geht es darum, dass alle Frauen die Arbeit machen können, zum gleichen Entgelt, wie die Männer. Dass ein Fünftel aller Frauen unter Ihrer Qualifikation beschäftigt wird, sollte genug Anlass sein, das immer wieder zu skandalisieren.
Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz und der Ausbau der Kitas ist ein weiterer großer Fortschritt hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit. Er geschieht aber nur zum Teil aus emanzipatorischen Gründen. Er geschieht, weil die Ressource Frau besser von den Unternehmern genutzt werden will. Deswegen gibt es auch umfangreiche Programme, die die Betriebe in den Ausbau von Kitas einbeziehen. Aber er ist – auch deswegen – für ärmere Familien noch kein wirklicher Fortschritt, weil die Kitagebühren zu hoch sind und selbst das Mittagessen noch Geld kostet. Außerdem findet in den Kitas eine soziale Selektion statt.
Wo Vollzeitberufstätige ihre Kinder unterbringen, findet man weniger Kinder aus ärmeren und Migrantenhaushalten. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht viel zu langsam voran, der Kita-Ausbau findet nicht sozial gerecht statt. Das Betreuungsgeld – gestattet mir den Hinweis – ist aus meiner Sicht ein Symbol einer untergehenden und im Übrigen ur-deutschen Auffassung, dass die Mutter für das Kind das Beste ist.
Ich möchte allerdings davor warnen, diese Kräfte nicht ernst zu nehmen: Eine wirtschaftliche Krise, bei der die Arbeitsplätze knapp werden, kann dazu führen, dass sich Ideologien wandeln und das Frauenbild erneut rückschrittlich ausgelegt wird.
Was derzeit eine große soziale Aufgabe ist, der sich noch viel zu wenig gestellt wird, weil die ökonomische Erfordernis dafür nicht vorhanden zu sein scheint, ist die Versorgung und die Lebensqualität älterer und pflegebedürftiger Menschen. Pflege und Seniorenpolitik sind klassische Frauenthemen, liebe Genossinnen und ich bin sehr froh, dass mir die Bürgerschaftsfraktion diese beiden Politikfelder übertragen hat.
Es ist erbärmlich, wie Ältere und Pflegebedürftige heute noch leben müssen, wie sie in die Armut getrieben werden und wie die – vornehmlich weiblichen – Angehörigen und die in der Pflege Beschäftigten belastet und entwertet werden. Hier herrscht politisch allergrößter Handlungsbedarf, auch für die Frauenbewegung, auch und vor allem für linke Frauen!
Ich komme zurück auf das Ausgangsthema meines Beitrages, den Internationalen Frauentag:
Der Internationale Frauentag hat zu seinem Hundertsten Geburtstag eine neue Wertigkeit erhalten. In Hamburg ist es gelungen, ein breites Frauenbündnis zu installieren, das diesen Tag ausgestaltet. Wir sind Teil davon und ich finde, es ist eine spannende und auch gewinnbringende Arbeit, im Bündnis mit anderen Frauen, die vor allem die bürgerliche Frauenbewegung repräsentieren, mitzuarbeiten. Aber die meisten von uns klammern den Aspekt der Bündnisarbeit leider immer noch aus, bewegen sich sozusagen nur in ihren eigenen Kreisen. Ich setze mich dafür ein, dass linke Frauen in diesem Bündnis dabei sind und sich daran beteiligen, den 8. März zu einem politischen Highlight in Hamburg zu machen.
Unser eigener Beitrag dazu kann aus unserer vielfältigen Geschichte heraus definiert und geleistet werden. Da wir aber neben den Gewerkschaften die einzige politische Kraft sind, die die ökonomischen Verhältnisse als Ursache für Frauendiskriminierung thematisiert und bekämpft, muss unser Beitrag sich deswegen auch daraus ableiten. Wenn wir auch am 8. März 2013 fordern, dass er in Hamburg endlich ein Feiertag wird, dann ist diese Forderung das Transportmittel für den Kampf um gesetzliche Mindestlöhne, gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit und eine Aufwertung der so genannte Frauenberufe im pflegerischen und pädagogischen Bereich und in der Dienstleistungsbranche – sei es die Verkäuferin, die Erzieherin oder die Friseurin. Und eine auskömmliche Rente sowie die Abschaffung der Rente erst ab 67 Jahren.
Auch die Arbeitszeitverkürzung ist für uns immer wieder ein Thema. Frauen brauchen unter den jetzigen Bedingungen mehr Zeit, um ihre gesellschaftlichen Aufgaben zu erfüllen. Auch deswegen arbeiten viele in Teilzeit. Sie machen das selten zum Vergnügen, denn sie verdienen dann ja auch weniger. Wie wir die Gewerkschaften dazu bringen, sich für eine gesellschaftliche Arbeitszeitverkürzung einzusetzen, ist eine seit Jahren ungelöste Aufgabe – die wir hier und heute vermutlich auch nicht lösen werden.
Faktisch interessieren sich zu wenige Frauen für die Tarifpolitik und ich glaube, dass hier ein Schlüssel begraben liegt. Wir überlassen den Männern die so genannten harten Themen und das muss ein Ende haben, liebe Genossinnen. Wenn ich dann sehe, wie viele Frauen mittlerweile an Streiks teilnehmen, dann freut mich das sehr. Dennoch sind es dann immer noch zu oft die männlichen Betriebsräte und die männlichen Gewerkschaftssekretäre, die diese Auseinandersetzungen planen und durchführen. Die Schlecker-Frauen haben uns gezeigt, dass es anders geht.
Wenn wir den Streik bei Neupack in Stellingen sehen, dann sehen wir Deutsche und MigrantInnen zusammen streiken. Für gerechte Löhne. Frauen und Männer streiken zusammen. Aber es hat noch niemand gefragt, ob die weiblichen Beschäftigten noch einmal mehr benachteiligt werden! Das zeigt, dass der Geschlechterblick noch mehr für alle Lebenslagen und Politikthemen sensibilisiert werden muss, Genossinnen! Mein Vorschlag wäre, dass wir von heutigen Frauenplenum aus eine Grußadresse an die Streikenden senden.
In der nächsten Woche habe ich die Kolleginnen und Kollegen zu einem Streikfrühstück ins Rathaus eingeladen. Unsere Solidarität sollte hier ganz konkret ansetzen und es wäre schön, wenn viele von Euch mal rausfahren nach Stellingen uns sich eine Stunde zu den Kolleginnen und Kollegen stellen. Und fragt die Frauen nach ihrer Bezahlung und ob sie noch weniger bekommen als die Männer.
Ein Ausblick für die Zukunft, den ich in einige Wünsche kleide:
– Ich wünsche mir, dass sich die menschliche Arbeitskraft darüber definiert, was diese Gesellschaft benötigt und was sie konkret zu leisten am Besten imstande bin. Und dass dafür eine Gegenwert gezahlt wird, von dem der Mensch gut und zufrieden leben kann. Dazu gehört dann auch, dass auch nur die Zeit für die Mehrwertbeschaffung aufgebracht wird, die erforderlich ist, um sich zu reproduzieren, die der Bedürfnisbefriedigung dienen und die Gesellschaft weiterzuentwickeln.
– Ich wünsche mir, dass Frauen, die Häusliche Gewalt erleben, ohne Probleme eine eigene Wohnung beziehen können, die für sie bezahlbar ist.
– Ich wünsche mir, dass Frauen, die Kinder haben oder ihre Angehörigen pflegen, die Zeit dafür bekommen, ohne sich Sorgen um ihre Rente machen zu müssen.
– Ich wünsche mir, dass eine Migrantin hier leben kann, auch ohne eine Deutschen heiraten und mit ihm mehrere Jahre zusammen leben zu müssen und dass sie ihren Beruf anerkannt bekommt.
ANTRAG an den Landesparteitag
Unsere Forderungen zum 8. März 2013: Hamburgs Arbeitswelt feminisieren – Frauen brauchen ökonomische Unabhängigkeit
Frauenrechte sind Menschenrechte – doch werden Frauen nach wie vor in der patriarchalen Gesellschaft diskriminiert und durch strukturelle Unterdrückungsmechanismen daran gehindert, sich frei entfalten zu können. Hauptursache der Diskriminierung ist, dass es Frauen an ökonomischer Unabhängigkeit fehlt. Hamburgs Arbeitswelt muss daher drastisch feminisiert werden.
So, wie es ist, darf es nicht bleiben:
Der Arbeitsmarkt ist geschlechtsspezifisch gespalten: Die berufliche Realität von Frauen ist von Chancenungleichheit und struktureller Diskriminierung geprägt. Der Gender Pay Gap beträgt anhaltend 23 Prozent. Daraus resultieren Benachteiligungen wie Altersarmut und Armut von Alleinerziehenden, Abhängigkeit vom Partner. Mit teils furchtbaren Folgen: Häusliche Gewalt ist für viele Frauen Alltag – sie können sich aber aufgrund fehlender Unabhängigkeit nicht daraus befreien.
Zwar steigen die Beschäftigungsquoten von Frauen, aber es findet lediglich eine Umverteilung des weiblichen Arbeitsvolumens statt. Tätigkeiten, die vorwiegend durch Frauen ausgeübt werden Frauenberufe sind schlechter bewertet und demzufolge schlechter bezahlt als Tätigkeiten, die überwiegend durch Männer ausgeübt werden.
Die Geschlechterstereotypen greifen früh und prägen die Arbeits- und Lebenswelt von Frauen: In der Ausbildung greifen Mädchen und junge Frauen immer noch zu den Berufen, deren Ausübung ihnen später kaum wirtschaftliche Eigenständigkeit ermöglicht. Vorrangig von Frauen verrichtete Berufe sind im Regelfall schlechter bezahlt und bieten weniger Aufstiegschancen.
Frauen arbeiten zunehmend in Teilzeit und das ist selten freiwillig: Teilzeit beginnt mit der Familienphase durch die Verantwortung für Kinder und wird oftmals durch die für zu pflegende Angehörige fortgesetzt. Es ist Realität, dass Teilzeitarbeitsplätze nicht in Vollzeitarbeitsplätze zurückverwandelt werden, weil die Betriebe sie zur Rationalisierung genutzt haben. Selbst Familienernährerinnen arbeiten nur zur Hälfte Vollzeit.
Mehr als zweidrittel der Beschäftigten im Niedriglohnsektor sind Frauen. Leiharbeit, Befristungen und 400 Euro-Jobs aber verhindert berufliche Weiterentwicklung: Die Lebensverhältnisse bleiben prekär. Der immer noch fehlende gesetzliche Mindestlohn forciert die Verhältnisse. Branchenbezogene Mindestlöhne gelten bislang nur in sehr wenigen typischen „Frauenbranchen“ und sind dort noch einmal niedriger als in den meisten „Männerbranchen“.
Auch staatliche Konjunkturprogramme haben fast ausschließlich die „Männerbranchen“ gestützt
Für Mädchen aus Migrantenfamilien wirkt sich das oft traditionelle Rollenverständnis erheblich aus: Ihre Erwerbsorientierung gering. Sie haben oft keinen Berufsabschluss.
Behinderte Frauen und Mädchen erhalten noch schlechter einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz als Männer mit körperlichen und geistigen Einschränkungen.
In Hamburg endeten durch die im letzten Herbst ersatzlos gestrichenen Ein-Euro-Jobs zielgruppenspezifischen Angebote für von Armut betroffenen Frauen. Die Chance wurde vom SPD-Senat verpasst, die bisher geleistete Arbeit in den sozialen Projekten mit sozialversicherungspflichtigen und auskömmlichen Stellen wiederherzustellen und hierbei insbesondere Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen.
Was es bislang gibt und was geplant ist, reicht nicht aus
Um der ökonomischen Diskriminierung von Frauen zu begegnen, wäre ein umfassendes Aktionsprogramm mit nachhaltiger Ausrichtung zu entwickeln und zügig umzusetzen. Unsere Bürgerschaftsfraktion hat hierzu einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht. Dieser wurde unter großer Beachtung von allen Fraktionen diskutiert und mit der Mehrheit der Bürgerschaft in Teilen angenommen. Das reicht aber nicht aus.
Wir wollen nicht warten, bis der SPD-Senat ein gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm veröffentlicht, das unter dem Diktat der Schuldenbremse vermutlich mehr unverbindliche Absichtserklärungen mit wohl klingenden Worten beinhalten wird als konkrete Maßnahmen zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit. Hamburgs Frauen brauchen vielmehr Arbeitsplätze mit auskömmlicher Entlohnung insbesondere für Erwerbslose, prekär Beschäftigte, Alleinerziehende, Migrantinnen, Frauen mit Familienaufgaben, Wiedereinsteigerinnen, Schülerinnen, Studierende und Frauen mit Behinderungen. Auf allen Ebenen in der Privatwirtschaft und den Behörden muss der Diskriminierung und den Defiziten systematisch und abrechenbar begegnet werden.
Gute Arbeit für Frauen schaffen – das muss konkret geschehen:
Konkrete Maßnahmen können beispielhaft die Erleichterung des Übergangs von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung, Förderung von Existenzgründung und Selbstständigkeit von Frauen, Förderung der beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen von Frauen, Förderung der Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Frauen und deren familienfreundliche Ausstattung, Abbau der Hemmnisse beim Berufseinstieg und Wiedereinstieg sein. Es sind u.a. die bereits vorhandenen Masterpläne – Handwerk und Industrie – entsprechend zu überarbeiten und verbindliche Ziele mit Handels- und Handwerkskammer zu definieren. Insbesondere die Behebung von Fachkräftemangel ist unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkte zu betrachten.
Hamburgübergreifend sind Maßnahmen, die dazu beitragen, die ökonomische Diskriminierung von Frauen zu beseitigen, an geeigneter Stelle – auf Bundesebene und gegenüber den Sozialpartnern – offensiv zu vertreten: Beispielhaft seien hier die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohn, die Höherbewertung und Bezahlung „typisch weibliche“ Tätigkeiten und die Abschaffung des Sonderstatus‘ von Minijobs genannt.
Im öffentlichen Dienst ist eine gezielte Förderung des Übergangs in besser bezahlte Tätigkeiten für Frauen sowie die Beendigung von Teilzeitarbeitsverhältnisses anzustreben, wenn dies erwünscht wird. Leiharbeit muss weitgehend beendet und Mindestlöhne in Höhe von anfangs zehn Euro eingeführt werden. Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich ist unsere Antwort auf die von der SPD angekündigte und von CDU. FDP und Grünen unterstützte Schrumpfung des Öffentlichen Dienstes.
Projekte, die benachteiligten Frauen zu Gute kamen und die durch die Streichung von Arbeitsgelegenheiten ihre Arbeit reduzieren oder einstellen mussten oder demnächst müssen, können durch die Bereitstellung von ausreichend Mitteln für sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten weiterarbeiten.
Hamburg hat einschlägige Kompetenzen, die dringend gebündelt und miteinander vernetzt werden müssen: Das Fachwissen aller arbeitsmarkt-, wirtschafts-, bildungs- und gleichstellungspolitischen Akteure und Akteurinnen kann hierfür genutzt werden, auch das der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte, ProFem, Landesfrauenrat und seine Mitgliedsverbände. Auch familienunterstützenden Infrastrukturen müssen sinnvoll vernetzt werden.
Wir streiten solidarisch für ein besseres Leben und sind selbst aktiv dafür
Wir streiten solidarisch mit allen, die sich für ein besseres Leben einsetzen: Viele Arbeitskämpfe haben in den letzten Jahren in den Branchen stattgefunden, in denen vorwiegend Frauen tätig sind: Kitas, Diakonie, Gesundheitswesen. Hieran gilt es anzuknüpfen. Auch für Frauen gilt: Sie müssen sich selbst befreien, selbst für ein besseres Leben in für ihre Unabhängigkeit streiten. Die Organisierung der Interessen ist hierbei unabdingbare Voraussetzung. Die Mitglieder der Partei DIE LINKE unterstützen daher Streiks durch aktive Mitgliedschaft in den Gewerkschaften und beteiligen sich an Arbeitsniederlegungen. Sie werben massiv dafür unter den Frauen, sich gewerkschaftlich zu organisieren und sich in Tarifkommissionen zu engagieren und sind auch selbst darin tätig. Auch für erwerbslose Frauen, Schülerinnen und Studierende sind die Gewerkschaften ein Ort, in der sie ihre Interessen deutlich machen müssen – sie können ihre Zukunft dadurch mitgestalten, in dem sie frühzeitig Klassenkampf lernen.
DIE LINKE wird in den kommenden Monaten und Jahren die Frauendiskriminierung der ökonomischen Verhältnisse fortwährend thematisieren und zu einem ihrer Schwerpunkte ihrer Politik in Hamburg machen. Dies wird in Publikationen, Anträgen und Aktionen, auf Mitgliederversammlungen in den Bezirken verwirklicht. Hierbei nehmen wir die Männer selbstverständlich mit – den die Welt lässt sich nur gemeinsam verändern. Wird die Gesellschaft feministischer, geht es auch den Männern besser.
Kersten Artus
Hamburg, 15. Oktober 2012
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