Denkwürdiges ereignete sich am Mittwochabend in der Bürgerschaft: Vier Frauen und drei Männer traten gegeneinander an, um über die Rezeptfreiheit für die Pille danach zu diskutieren.
Ich nehme vorweg: Die drei Männer verloren die Auseinandersetzung, schlichen sich still aus dem Plenarsaal, entwaffnet von ihren Argumenten, zurückgeblieben in einer Welt der Rückständigkeit. Das Parlament stimmte mit einer klaren Mehrheit die Verzögerungsversuche der schwarzgelben Blockierer weg, die Bundesratsinitiative zu verzögern.
Meine Rede auf Youtube (weiter unten auch als Manuskript)
Es wurde mehr als deutlich, wie die männliche Herrlichkeit über die Sexualität der Frauen denkt. Herbeigeredet das sich womöglich verändernde Sexualverhalten, wenn die Pille danach keiner Rezeptpflicht mehr unterläge. So, als warteten die Frauen in Deutschland nur darauf, nach dem – nun endlich ungeschützt möglichen – Sex in eine Apotheke zu laufen und sich eine Tablette einzuwerfen.
Den Tiefpunkt erreichte die Debatte, als einer Mannes (FDP) ausgeführte, eine vergewaltigte Frau müsse von einem Arzt die Pille danach verschrieben bekommen, weil sie ja zugleich erkennungsdienstlich behandelt werden muss. Ja, hat er denn keine Ahnung, wie viele Frauen nach einer Vergewaltung sich weder ärztlich, noch polizeilich untersuchen lassen? Aus Scham, aus Angst ziehen sie sich zurück und leiden traumatisiert. Männlich zentriertes Denken schließt die Lebens- und Denkweisen von Frauen aus.
Einen letzten Störversuch unternahm ein parteiloser Abgeordneter, der für die CDU in der Bürgerschaft sitzt. Er fragte die Senatorin, worin der Unterschied zwischen der Pille danach bestände und der regulären Pille – warum das eine Medikament rezeptfrei sein solle und das andere nicht. Die Senatorin entgegnete: Das eine ist ein Medikament, das nicht überdosiert werden kann und nicht lebenslang eingenommen wird. Das andere nicht. Im Parlament hörte man es kichern.
Was sind nun die Argumente, die für die Rezeptfreiheit der Pille danach sprechen? Hier meine Rede, in der ich die Zusammenhänge darlegt habe:
Die „Pille danach“ ist eine wichtige Möglichkeit, Frauen aus einer Notlage zu befreien. Daher ist es unverständlich, dass dieses Medikament immer noch nicht rezeptfrei ist. Das muss schnellstens möglich gemacht werden!
Was mich ärgert, sind die Scheindebatten und Unterstellungen, die immer wieder hervorgekehrt werden. Und die sich gegen Frauen und ihr Sexualverhalten richten.
Mit der Pille danach wird nicht abgetrieben! Es wird lediglich der Eisprung verzögert. Daher ist es umso wichtiger, dass die Einnahme so schnell wie möglich – möglichst innerhalb der nächsten 24 Stunden – erfolgt und nicht erst, wenn Arzt oder Ärztin Sprechstunde haben. Die Zeit kann daher ebenfalls knapp werden, wenn man sich das Medikament über die Internetapotheke bestellt. Dann kann der Eisprung nämlich schon stattgefunden haben.
Selbst wenn eine Schwangerschaft besteht, gefährdet das Medikament nicht den Fötus. Dieses Wissen ist auch nicht neu: Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat die Erkenntnisse bereits 2010 mit einer Kleinen Anfrage zu Tage gefördert.
Viele werden es wissen – oder auch nicht: Ein Kondom kann reißen, die Pille kann vergessen werden. Ich finde es schlimm, dass hingegen den Frauen unterstellt wird, sie würden weniger oder gar nicht verhüten, wenn sie die Pille danach rezeptfrei erhalten. Es gibt leider auch Männer, die Frauen bedrängen, ohne Kondom mit ihnen zu schlafen, ganz abgesehen von Vergewaltigungen. Die werden leider auch nicht immer sofort angezeigt, so dass sie äußerst tragische Folgen haben können und letztlich eine Abtreibung bedeuten. Eine Abtreibung ist aber eine wesentlich belastendere Angelegenheit als die Einnahme einer Tablette.
Die oft vorgebrachten Positionen gegen die „Pille danach“ sind auch insofern lächerlich, wenn Sie in andere Europäische Länder schauen. Sie werden dann schnell sehen, dass sich dort im Verhütungsverhalten durch die Rezeptfreiheit überhaupt nichts verändert hat. Die Unterstellung, dass Frauen sodann verantwortungslos Sex praktizieren, ist schlichtweg frauen- und auch lustfeindlich, sehr geehrte Herren und Damen! Es entspricht nicht den Realitäten.
Riskant ist allein das Mauern durch die Ärzteschaft sowie das konservative Frauenbild von CDU und CSU, sowie das Verhalten des Bundesgesundheitsministers – also in diesem Fall der FDP. Erst das von Herrn Rösler und jetzt das von Herrn Bahr!
In 28 Ländern Europas ist die „Pille danach“ rezeptfrei. Auch dies wird gern von den Verhinderern unterschlagen. Selbst in Ländern wie der Türkei und auch im katholisch geprägten Irland ist das so. Die Bundesrepublik Deutschland hinkt hinterher. Rückständig ist das. Nichts anderes!
Die Pille danach ist die Verwirklichung eines Menschenrechts, das bereits 1968 bei der UN-Menschenrechtskonferenz in Teheran verabschiedet wurde: Jeder Mensch hat das Recht auf Zugang zu sicheren, gesundheitsschonenden und finanzierbaren Verhütungsmitteln.
Es ist unfassbar, dass dies in der Bundesrepublik immer noch nicht verwirklicht ist.
Daher unterstützen wir den Vorstoß über Hamburg, bedanken uns sehr bei Pro Familia, die die Politik hierauf aufmerksam gemacht hat und hoffen, dass er auf Bundesebene die Entscheidung befördert.
Und wenn sich CDU, CSU und FDP nicht völlig blamieren und unglaubwürdig machen wollen, dann schaffen sie die Rezeptpflicht noch vor der Sommerpause ab.
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