Marathon in Hamburg ist toll: Tausende Menschen rennen quer durch die Stadt. Noch mehr stehen am Straßenrand und jubeln den Laufenden zu. Wie immer kommen zuerst Afrikaner durchs Ziel. Mich haben Bemerkungen darüber diesmal ziemlich genervt. Warum ist es nicht egal, welche Hautfarbe die Sieger haben?
Eliud Kipchoge aus Kenia hat mit zwei Stunden, fünf Minuten und 30 Sekunden einen neuen Streckenrekord aufgestellt. Limenih Getachew aus Äthiopen wurde zweiter und Lawrence Kimaiyo aus Kenia dritter.
Wir gingen während der Zieleinläufe die Strecke entlang, ich auf der Suche nach einem guten Foto – das beim Marathon eigentlich eher ein Massenbild ist als eines von einem einzigen Läufer.
Das bekommt man anfangs nur leider nicht, denn die Profis laufen ziemlich alleine an der Spitze. Erst das Mittelfeld kommt nach ca. drei Stunden in größeren Gruppen die Straße entlang.
Ein Zuschauer, neben dem ich zufällig stehe, während ich meine Kamera wieder einpacke, sagt plötzlich: „Da kommt ja der erste Weiße.“
Ja, da lief er. Der erste Weiße. Der erste weiße Mann, der es geschafft hat nach all den Schwarzen, ins Ziel zu laufen. Warum stört mich diese Bemerkung? Sie war weder wertend, noch abfällig, noch mit anderen dummen Bemerkungen gepaart. Einfach nur „Da kommt der erste Weiße.“ Eine schlichte Tatsachenfeststellung.
Mich stört, dass es überhaupt gesagt wird. Mich ärgert es, dass ein sportliches Ereignis, bei dem Menschen vieler Nationen und Ethnien mitgelaufen sind, in schwarze und weiße Teilnehmende unterteilt wird.
Der Homo Schlichtus Rassismo dürfte sich schon länger fragen: Sind Schwarze flinker? Hat die Rasse Einfluss auf das Tempo eines Menschen? Warum nehmen uns die Schwarzen in Hamburg und anderswo in Europa die ersten Plätze weg? Die Fragen sind genauso dämlich wie alle rassistische motivierten Unterstellungen, die Menschen ihren Herkünften aufteilen und danach Eigenschaften und Verhaltensweisen begründen.
Wer wissen will, warum Afrikaner die ersten Plätze bei Marathon-Läufen einnehmen, sollte sich vielmehr die Trainingsmethoden anschauen. Und die konkreten Bedingungen, unter denen trainiert wird. Es kommen noch ein paar mehr Aspekte dazu, die auf diversen Websites beschrieben werden.
Den Veranstaltern können derartige Bemerkungen und Wahrnehmungen egal sein. Marathon ist nicht nur Sport, sondern auch ein Ereignis, bei dem jede Menge Geld umgesetzt wird. Was mich daher fast noch viel mehr stört, ist die ungeheure Vermarktung des Marathons. Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer.
Ich habe mich (nicht nur) dieses Jahr gefragt, warum der Marathon stattfindet, wenn nicht zur puren Werbung für Marken und Produkte. Und mittendrin die KonsumentInnen, also wir, die eigentlich nur zuschauen und jubeln wollen.
Warum geht das nicht, dass die einen Menschen einfach nur laufen, andere sie anfeuern und alle zusammen riesen Spaß haben? Zum Glück ist die Strecke so lang, dass man dem Kommerz gut entkommen kann. Und auch Dummsprüchlern, die die Laufenden nach ihrer Hautfarbe kategorisieren.
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