Kennengelernt habe ich Erika Krauß während meiner Teilausbildung Ende der 1990er Jahre bei der Hamburger Morgenpost. Sie saß dann immer in der Fotoredaktion, sie verteilte oft an alle Schokolade. Einen gemeinsamen Pressetermin mit ihr hatte ich aber nie, denn sie war seit Jahr und Tag im Rathaus präsent, während ich als Volontärin auf die Straße geschickt wurde und an Filmsets.
Ich sah sie dann erst wieder, als ich vor fünf Jahren in die Bürgerschaft gewählt wurde, doch sie wusste genau, wer ich bin. Und sie gab mir anfangs gleich zu verstehen, dass man ordentlich angezogen sein muss, wenn man Mitglied der Bürgerschaft ist. Schokolade bekam ich auch.
Jetzt ist Erika Krauß mit 96 Jahren gestorben.
Erika war Pressefotografin, die wohl älteste aktive in Deutschland und vermutlich der ganzen Welt. Bis Juni war sie regelmäßig in der Bürgerschaft. Fotos machte sie nicht mehr viele. Aber manchmal kam sie noch in den Plenarsaal hinein. Sie ging langsam durch die Reihen. Dann hob die kleine Frau ihre schwere Kamera, zielte und schoss ein Bild von dem Redner, der Rednerin, die gerade am Pult stand. Sie setzte sich dann immer auf die Sessellehne der SPD-Abgeordneten Timmermann, bevor sie den Saal wieder verließ.
Zu ihrem 90. Geburtstag im Jahr 2007 wurde sie mit einem Senatsempfang geehrt. Die Medien berichteten groß darüber, aber sie war – typisch Fotografin – keine Freundin davon, dass sie vor der Kamera stehen musste. Gefallen hat ihr die Ehrung glaube ich dennoch sehr.
Auf dem Foto hier – vermutlich ist es das letzte Bild von Erika – ist sie neben Prof. Dr. Lammert, dem Bundestagspräsidenten, im Kaisersaal des Rathauses zu sehen. Ich nahm es Mitte April diesen Jahres auf. Lammert war in Hamburg zu Besuch und hielt anlässlich des 80. Jahrestages der Machtübernahme durch die Nazis in der Bürgerschaft eine Rede. Sie hat sich bestens mit ihm unterhalten.
Ich habe Erika am letzten Wochenende zusammen mit Holger im Krankenhaus besucht, da war sie schon sehr schwach. Ich erzählte ihr davon, dass es eine Bürgerschaftssitzung nur zur Elbphilharmonie gegeben hatte und sie hob die Hand. Von Ole von Beust stand ein Blumenstrauß auf dem Tisch. Diesen Bürgermeister hat sie sehr gemocht – und er sie auch, soweit ich das beurteilen kann.
Erika Krauß steht für mich als stets eigenständige und unabhängige Frau. So werde ich sie in Erinnerung behalten und ich hoffe, viele andere Hamburgerinnen und Hamburger auch.
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