Die Gegenkampagne hat sie Geld gekostet, richtig viel Geld. Sie haben frühmorgens die Menschen vor der Arbeit an U- und S-Bahnhöfen abgepasst. Sie haben umfänglich (und zum Teil unzulässige) Werbung geschaltet und Betriebsräte auf Arbeitgeberkosten zusammengerufen, damit diese sich gegen den Volksentscheid positionieren.
Es hat ihnen – einem mächtigen Komplott aus drei Bürgerschaftsfraktionen, Handelskammer, Vattenfall, Eon, Industriegewerkschaften, Teilen von Verdi und anderen – nichts genutzt: 440.690 Hamburgerinnen und Hamburger ab 16 Jahren haben dafür gestimmt, dass Kraftwerke und Netze, die uns mit Strom versorgen, wieder in die öffentliche Hand zurückkehren.
Die Sehnsucht der Menschen, dem ungeliebten Stromanbieter Vattenfall endgültig Tschüs zu sagen, war stärker als alles Geld. Das ist eine Megapleite für die in Hamburg regierende SPD und eine große, persönliche, Blamage für Bürgermeister Olaf Scholz. Denn die SPD hat mit ihrem Frontmann Scholz die Fäden gezogen bei dem Versuch, die Energiewende in den Händen der Atomkonzerne zu belassen.
Demokratie ist, Gegenargumente auszuhalten. Die Kampagne gegen den Volksentscheid war allerdings unfair und auf vergifteten Argumenten aufgebaut. Mit tendenziösen Studien gefüttert. Mit zweifelhaften Akteuren und Experten garniert. Sie war ein von brutaler Macht und sehr viel Geld geleiteter Versuch, Bürgerwillen und Demokratie – konkret die Kontrolle über einen wichtigen Teil der Daseinsvorsorge – niederzumachen.
Erschütternd war es, zu sehen, wie sich Betriebsräte vor die Kutsche des Kapitals haben spannen lassen. Zuletzt auf einer ganzseitigen Anzeige in der Umsonst-„Bild“ am vergangenen Sonnabend polemisierten sie mit bedeutungsschwangeren Worten gegen den Rückkauf der Netze. Damit wurde eine Grenze überschritten, wie es sich für Betriebsräte nicht gehört. Was sozusagen die Aufgabe des Selbstverständnisses von Betriebsräten bedeutet. Es ist nicht ihre Rolle, auf Anzeigen des Unternehmers zu possieren. Es ist vielmehr eine unzulässige Vorteilsnahme, sich vom Arbeitgeber Anzeigenseiten bezahlen zu lassen und während der Arbeitszeit zu einer Fortbildung namens Energiedialog zu gehen, die offensichtlich getarnte SPD-Propanganda-Vorstellung gewesen ist.
Wären Arbeitsplätze durch eine Rekommunalisierung gefährdet? Nein. Ich kann unterstellen, dass Betriebsräte aus großen Unternehmen das Betriebsverfassungsgesetz kennen. Und sie kennen auch die Regeln bei Betriebsübergängen, die im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben sind. Danach bleiben Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge unangetastet, wenn ein Betrieb veräußert wird. Kündigungen aus Anlass des Überganges sind verboten.
Das hat diese Betriebsräte aber nicht interessiert. Wider besseren Wissens haben sie sich auf den Schoß des Unternehmers gesetzt, dessen Lied geträllert und Arbeitsplatzängste geschürt. Schlimmer noch: Sie haben Strophen dazugedichtet und eine eigene Erklärung abgegeben, die sie dann auf der angeblichen Fortbildung verabschiedeten. Wie tief kann man eigentlich sinken?
Diesen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern sei gesagt: Man kann nicht gleichzeitig den öffentlichen Dienst stärken wollen, gegen die Schuldenbremse aufstehen – und dann den Atomkonzernen die Energieversorgung überlassen. Und damit jede Menge Subventionszahlungen an die Atomlobby in Kauf nehmen, die nicht sicher in den Ausbau der Netze investiert werden. Und die für Gewinne sorgen, die abgeschöpft werden anstatt dem Volk zu Gute kommen. Verdi hat es bislang gut geschafft, die gegensätzlichen Pole in ihrem Organisationsgrad auszubalancieren. Bislang! Diese Balance wurde nunmehr grob verletzt.
Da ist viel Vertrauen verloren gegangen. Wie das wieder gut gemacht werden kann, ist im Augenblick offen. Vielleicht fängt man bei den Betriebsräten und in diesem Teil der Gewerkschaften an, die eigene Rolle selbstkritisch zu überdenken. Das wäre ein wirklich guter Anfang.
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