Am 11. Oktober ist der internationale Mädchentag. Er findet zum zweiten Mal statt. Auf dem Weg von Florenz nach Pisa habe ich den nachfolgenden Beitrag geschrieben, weil ich es wichtig finde, dazu ein paar Worte zu sagen.
Im letzten Jahr waren wir die einzige politische Kraft in Hamburg, die an den Mädchentag gedacht und mit einer Veranstaltung auf ihn aufmerksam gemacht hat. Schön, dass nun auch der Hamburger Senat den Mädchentag entdeckt hat und mit einem Empfang ehrt.
Die Initiative Pinkstinks war in 2012 bei uns im Rathaus zu Gast, Dr. Stevie Schmiedel referierte über den Konsumterror, mit dem unseren Mädchen durch pinkfarbenes Spielzeug, pinkfarbene Kleidung, ja sogar pinke Lebensmittel (Ich sage nur: Überraschungseier!) überzogen werden. Und wiesie dadurch gleichzeitig auf Rollen und Verhaltensweise konditioniert werden.
Sexismus mittels Farbenpsychologie – eine erfolgreiches und gewinnträchtiges Konzept. Pink steht für jede Menge Klischees und begrenzt die Möglichkeiten von Mädchen – in einem Alter, in dem die Umwelt lebenslang prägende Auswirkungen auf ein Kind hat.
Ausgerechnet pink ist die Farbe des heutigen Mädchentages. Diverse Bauwerke sollen aufgrunddessen heute in pink angestrahlt werden. Wer hat sich das nur ausgedacht?
Worum es beim Mädchentag geht:
Es ist wichtig und war überfällig, mit einem internationalen Tag zu mahnen, dass Mädchen in vielen Ländern weniger wert sind als Jungen. So weibliche Föten gezielt abgetrieben. Der Femizid hat bewirkt, dass es Millionen zu wenige Mädchen auf der Welt gibt. Die Folgen sind Mädchenraub und Mädchenhandel.
Wie ist die Situation in Deutschland? Ein heute geborenes Mädchen wird statistisch fast 90 Jahre alt. Die Lebensqualität unterscheidet sich von der eines heute geborenen Jungen allerdings sehr: Es geht bereits damit los, dass ein weibliches Baby – statistisch – über einen kürzeren Zeitraum gestillt wird als ein männliches.
Auch wenn es immer so schön heißt, dass Mädchen in der Schule besser abschneiden, heißt es nicht, dass sie in ihrer Kindheit übervorteilt sind. Da es dem Gemeinwesen vielfach an einem Genderblick fehlt, fehlen geschlechtsspezifische Daten über konkrete Benachteiligung. Tatsache ist, dass die Mädchenprojekte in Hamburg viel zu kruz gehalten werden. Vor allem im Sport wird nac hwie vor männerzentriert gedacht.
Es wählt dann als Heranwachsende aus weniger Berufen aus, die fast alle schlechter bezahlt sind als die favorisierten Berufe von Jungen. Mädchen und Frauen sind nach wie vor ökonomisch abhängig, das mindert ihre Entwicklung und verhindert Emanzipation.
Ein Mädchen und eine Frau erlebt eine schlechtere medizinische Versorgung: Symptome werden oft nicht den richtigen Krankheiten zugewiesen, höchstwahrscheinlich wird das eigene Kind mit einem Kaiserschnitt zur Welt kommen, so wie es bereits selbst vermutlich nicht auf natürlichem Wege geboren wurde, weil es für den Arzt bequemer ist und für die Krankenhäuser mehr Geld gibt. Auch teure Medikamente, modernen Therapien erhält sie in geringerem Maß. Ob die zunehmende Feminisierung der Medizin – immer mehr Frauen werden Ärztin – daran etwas ändert? Werden dann endlich auch weniger Gebärmuttern herausgenommen? Es ist beängstigend, dass die Medizin dieses wichtige Organ, u.a. für die Orgasmusfähigkeit, immer noch als sinnlos ansieht, wenn die Phase des Kinderkriegens vorbei ist.
Bei der Pflege geht es leider (bislang) weiter: Auch hier erwartet eine Frau weniger Qualität und Unterstützung: aufwendigere Hilfemaßnahmen werden eher Männern bewilligt – von vorwiegend Sachbearbeiterinnen, die zu dem Urteil kommen, ihre Geschlechtsgenossin schafft das schon. Gleichzeitig werden die vielen in der Altenpflege arbeitenden Frauen schlecht bezahlt. Diejenigen, die ihre Angehörigen pflegen, geht es nicht viel besser. Und auch das sind überwiegend Frauen.
Der internationale Mädchentag macht aber auch und vor allem auf viele versteckte, lebensbedrohliche, weltweit vorhandene Benachteiligungen aufmerksam, die in der öffentlichen Diskussion oft untergehen: Analphabetentum,Genitalverstümmelung, Häusliche Gewalt, Zwangsschwangerschaften und auch daraus resultierende Gesundheitsrisiken durch Pfusch bei Abtreibungen sowie systematische Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen sind konkrete und leider alltägliche Gesundheitsgefährdungen, denen Mädchen auf der ganzen Welt ausgesetzt sind.
Dass dafür ausgerechnet die Farbe Pink symbolisch aufmerksam machen soll, ist befremdend. Auch, weil sich ältere Mädchen überhaupt nicht mehr mit dieser Farbe identifizieren können. Der wichtige Aspekt der Solidarität könnte damit verpuffen. Und ist etwas, was Mädchen ganz besonders dringend benötigen würden.
Schreibe einen Kommentar