Es ist keine Übertreibung, wenn Menschen von der Dimension Shanghais erzählen. Bestimmt eine halbe Stunde dauerte der Landeanflug auf die 22-Millionen-Stadt. Das Häuser-Meer wollte nicht enden. Was für eine irre Stadt. Stadt? Mega-City! Hier stehe ich vor dem Bankenviertel, mitten im – im Wortsinn – pulsierenden Shanghai!
Shanghai ist unsere Partnerstadt seit 1986. Zuletzt hat 2009 eine Delegation der Bürgerschaft Shanghai besucht. Es war daher wirklich an der Zeit, mal wieder hinzufahren und die Gespräche fortzusetzen. Zwischendurch war allerdings auch eine Gruppe aus Shanghai in Hamburg.
Geschafft! Nach zehn Stunden Flug ist die 9-köpfige Delegation der Bürgerschaft in der traditionsreichen Hafenstadt angekommen. Im Hotel hielten wir nur kurz auf, dann ging es aufs Expo-Gelände. Dort hatte Hamburg 2010 ein Passiv-Haus gebaut, das erste in China überhaupt. Jetzt ist das Haus in den Besitz Shanghais übergegangen. Die Räume sind vermietet, unter anderem an die katholische und evangelische Kirche und an das Goethe-Institut.
Wir sind der deutschen Zeit in Shanghai sechs Stunden voraus, denn im Osten geht ja die Sonne auf. Konkret bedeutete das: Der Direktflug startete in München um 22.30 Uhr. Wir landeten nach chinesischer Zeit nachmittags um kurz nach 15 Uhr. Irgenwie fehlt mir was.
Die Anreise hatte perfekt allerdings geklappt. Naja, fast. Eines unserer Handys war hinter einen Flugzeugsitz gerutscht und klemmte so unglücklich fest, dass beinahe der Sitz hätte rausmontiert werden müssen. Erst ein Spezialwerkzeug brachte es nach einer halben Stunde wieder zum Vorschein. Und ein Koffer fehlte, als wir den Flughafen Shanghais verließen – doch auch der fand sich wieder an. Zwei kurze Schrecken viele Tausend Kilometer weit von Zuhause weg – es hätte schlimmer kommen können.
Unsere Gastgeber haben sich die größte Mühe gegeben, dass wir gut ankommen und uns wohlfühlen. Und das war auch so. Den befürchteten Stau auf dem Weg ins Hotel gab es auch nicht. Dafür jede Menge Eindrücke von der „Stadt am Meer“, wie Shanghai übersetzt heißt. Getrost können alle Klischees, die man so von China hat, vergessen werden.
Und wir wollen genau wissen, was abgeht: Unser Sechs-Tage-Plan ist ambioniert. Morgen treffen wir VertreterInnen des Shanghaier Volkskongresses, auch die neue Vorsitzende. Das freut mich besonders, weil die Strukturen ansonsten doch sehr patriarchal geprägt sind. Danach geht es zur Umweltbehörde. Jeden Tag stehen weitere zwei bis drei Gespräche auf dem Programm, Besichtigungen, Essen, Fahrten. Es geht auch zum Tiefhafen, der 50 Kilometer vor der Stadt liegt.
Wenn wir Shanghai betrachten, sehen wir gleiche, ähnliche und ganz andere Probleme, die Hamburg als Großstadt und Metropole hat. Was bedeutete es für eine Stadtentwicklung, wenn jedes Jahr eine Million Menschen zuziehen? Auch Hamburg hat fortwährend Zuzug, aber nicht in diesem Umfang. In Shanghai allerdings gibt es kein Wohnungsproblem, im Gegenteil, es stehen Wohnungen frei.
Und wie funktioniert auf Dauer die Energieversorgung bei weiterem Wachstum? Wir wollen einen Ausstieg aus der Atomkraft, in China ist das kein Thema. Wie erreicht der Vielvölkerstaat mehr Wohlstand für alle Menschen? Es gibt eine gut situierte Mittelschicht, aber eben auch viele Millionen WanderarbeiterInnen. Den Menschen auf dem Land geht es ganz anders als in der Stadt. Es sind daher viele große Fragen, die sich China stellen.
Die Fragen, die aus dem Westen an China gerichtet werden, sind ebenfalls präsent, hinsichtlich diverser Menschenrechte zum Beispiel. Diese werden wir auch thematisieren. Aber es kommen eben noch viel mehr Fragen – Umwelt, Stadtentwicklung, Demografie – hinzu. Und auch die sind berechtigt in ihrer Dringlichkeit, auch sie müssen beantwortet werden.
Daher ist es gut, dass wir durch die Städtepartnerschaft in einem regelmäßigem Dialog sind. Ich bin mit viel Neugierde nach Shanghai gefahren und erahne, dass ich gerade mal den Rand gesehen habe von dem, was dieses Land in sich birgt. Vergleichbar ist es mit nichts, was die Geschichte der Menschheit bislang kannte.
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