Sonnabends sind noch mehr Touristen im Rathaus, als unter der Woche, es ist ein Rein- und Rauschlendern und Erinnerungsfotografieren vor pompösem Hintergrund. Ich führe regelmäßig sonnabends Betriebsräte im Rathaus herum, zeige ihnen den Prunk und Protz der Kaufleute, die sich das Rathaus bauten mit der Börse als Rückgrat – Kapital und Kabinett schüttelten sich im reichen Hamburg stets geschwisterlich die Hand.
Wenn eine Betriebsrätin zur Abgeordneten wird, dann sei die Frage erlaubt, ob die Politiken vergleichbar sind. Sind sie, sage ich, denn als gelebte Oppositionelle im Betrieb kann ich das selbe auch im Parlament. Es ist dann aber die Zweigeteiltheit, Job und Abgeordnetenmandat, die meine Gäste erschaudern lässt – wie schaffst du das bloß? Eigentlich gar nicht, sage ich, aber um die Bodenhaftung zu behalten, ist beides zusammen auszuüben außerordentlich gut. Und ich lebe ja nicht nur meine Interessenvertretungsidentität. Ich erkundige mich auch bei anderen Betriebs- und Personalräten, wenn es um ihre Betriebe und Behörden, um Leiharbeitnehmer oder andere prekäre Arbeitsverhältnisse geht. Ihre Fragen werden meine Fragen und ich frage im Parlament, was sie mich gefragt haben und füge ihre Argumente zum Untermauern hinzu – die sowieso auch meine sind.
Nach einer Stunde haben wir literweise Selter getrunken, es ist so heiß heute, und dann beim Verabschieden hoffe ich, dass meine BesucherInnen zu Hause ihre Abgeordneten aufsuchen und ihn sagen, was sie im Parlament fragen und sagen sollen
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