Der 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag sollte den Jugendschutz für das Internet neu regeln. Gelungen ist dies nicht. Stattdessen wurde BetreiberInnen von Websites auferlegt, ihre Angebote ständig nach jugendgefährdenden Inhalten zu durchforsten.
Ich unterstütze die Position von Alvar Freude, Mitbegründer des Arbeitskreises Zensur, die in epd 72 von Ellen Großhans wiedergegeben wurden:
Die neuen Regelungen haben zur Folge, dass Millionen von Webseiten-Betreibern und Bloggerinnen und Blogger all ihre Angebote auf potenziell für zwölfjährige Kinder erziehungsbeeinträchtigende Inhalte durchforsten müssen. Damit werden besonders privaten und kleinen Anbieterinnen und Anbieter unverhältnismäßig hohe Hürden in den Weg gelegt. Ähnliches gilt für Community-Plattformen. Allein die deutschsprachige Wikipedia hat über eine Million Einträge. Wer soll die alle kennzeichnen? Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag gilt zudem nur für Anbieterinnen und Anbieter mit Sitz in Deutschland. Damit lässt sich das Ziel, das Jugendschutzniveau im Internet zu stärken, nicht erreichen.
Neben technischen Mitteln könnten Anbieterinnen und Anbieter zwar auch Zeiteinstellungen nutzen. Nach dem Staatsvertrag erfüllt ein/e Website-Betreiber/-in die Jugendschutzvorgaben auch dann, wenn die für die Entwicklung der Jugendlichen bedenklichen Inhalte nur zwischen 22 beziehungsweise 23 Uhr und 6 Uhr morgens abrufbar sind. Solche Zeitbegrenzungen vorzuschlagen, zeugt aber einmal mehr von dem hilflosen Versuch, Regeln, die sich im Rundfunk etabliert haben, auf das Internet zu übertragen. Globale Nutzerinnen und Nutzer, die in Echtzeit in einem weltumspannenden Medium kommunizieren, lassen sich aber in keine Alterskategorien und Sendezeit pressen. Die Millionen Textschnipsel bei Twitter oder die unzähligen YouTube-Videos passen in kein deutsches Karteikartensystem. Es gibt auch keinen globalen Konsens darüber, was Jugendliche in ihrer Entwicklung beeinträchtigen könnte und was nicht.
Immerhin bilanzierte wenigstens das Land Baden-Württemberg in seiner Protokollerklärung zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag den Versuch, den Jugendschutz an das Internetzeitalter anzupassen, für gescheitert. Schutzmaßnahmen wie Sendezeitbegrenzungen oder die Kennzeichnung von Produkten mit Altersbeschränkungen hätten sich nur für die klassischen Verbreitungswege wie den Rundfunk bewährt. Aufgrund der großen Zahl nicht gewerblicher Anbieterinnen und Anbieter und der unterschiedlichen Verbreitungswege im Internet ließen sich mit diesen Mechanismen aber nicht ohne weiteres sämtliche Besonderheiten der Medienverbreitung über das Internet abbilden: „Das Land Baden-Württemberg tritt daher dafür ein, die in Aussicht genommene Evaluation des neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrags zugleich als Chance für eine grundlegende Neukonzeption des Jugendmedienschutzes für Internetangebote zu nutzen“. Nur so ließen sich maßgeschneiderte Lösungen finden, die dem Erwerb von Medienkompetenz durch Kinder und Jugendliche und dem vorbeugenden Schutz vor jugendgefährdenden Inhalten Rechnung trügen.
Einen zentralen Mangel lässt die vernichtende Protokollerklärung der Baden-Württemberger/-innen aber außen vor: Bislang steht Eltern kein Jugendschutzprogramm zur Verfügung, das die Alterskennzeichnungen auslesen könnte, denn die Kommission für Jugendmedienschutz erkannte bislang kein Programm an.
Trotz dieser Defizite wird der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag voraussichtlich zum 1. Januar 2011 in Kraft treten. Auch die Mehrheit der Hamburgischen Bürgerschaft wird aufgrund des geringen Interesses und der nicht vorhandenen Medienkompetenz der Regierungsfraktionen den 14. Rundfunkänderungsvertrag vermutlich durchwinken. Es bleibt die Hoffnung, dass die Regelungen aufgrund ihrer schwierigen Anwendbarkeit in vielen Bereichen ohne praktische Auswirkungen bleiben könnten. Die Politik muss endlich lernen und begreifen, dass sie das Internet nicht wie den Straßenverkehr mit Stoppschildern, Alters- oder Geschwindigkeitsbegrenzungen regulieren kann.
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