3. Station der Sommertour: KEMENATE, der Tagestreff für wohnungslose und bedürftige Frauen. Inmitten von Eimsbüttel, einer stillen Straße neben der Fruchtallee, bietet die Einrichtung seit Jahren Frauen Hilfe an. Hier können sie sich ausruhen, bekommen ärztliche Hilfe, können sich duschen, ihre Wäsche waschen, ins Internet. Gemeinsam wird gekocht. Auch eine Friseurin kommt vorbei. Eine Kleiderkammer steht mit vollen Regalen bereit.
KEMENATE ist die einzige Anlaufstelle für Frauen dieser Art in ganz Hamburg!
Auf dem Foto sind Aufnahmen von Besucherinnen zu sehen, die sich dafür haben extra in Szene setzen lassen. Mit ihrem Wunschmotiv. Mein Lieblingsbild hängt außen rechts, es ist eine Mona Lisa. Der Stolz der Frau auf diesem Bild rührt mich jedesmal an, wenn ich vor Ort bin.
Ich habe mich erkundigt, wie der Tagesablauf aussieht. Es ist harte Arbeit für die Fachfrauen, die hier tätig sind. Jede Besucherin will etwas anderes. Begrüßt werden die Gäste mit einem bescheidenen Büffet, für viele die erste Mahlzeit am Tag. Dann müssen Kleidungsstücke ausgebessert werden, Briefe geschrieben, Fragen beantwortet werden. Die Waschmaschine läuft, die Dusche ist hochfrequentiert. Gibt es unter den Frauen Konflikte, sind Streitschlichterfähigkeiten gefragt. Ich bin beeindruckt von der positiven Ausstrahlung, die die Kolleginnen haben. Dass sie auch mal resolut sein können, sehe ich ihren Blicken an.
Die Anzahl der Besucherinnen steigt stetig an, im Schnitt kommen 35 Frauen pro Öffnungstag.
Dass der SPD-Senat nicht bereit ist, die Tariferhöhungen des Öffentlichen Dienstes an die Sozialpädagoginnen und Psychologinnen in sozialen Projekten wie KEMENATE pauschal weiterzugeben, ist einfach ein Skandal. Denn Sachmittel, aus denen die berechtigten Gehaltserhöhungen deswegen genommen werden müssen, sind nicht über! Das bedeutet, entweder Einkommensverluste in Kauf zu nehmen oder dort zu kürzen, wo es bedürftige Frauen brauchen. Die Waschmaschine nicht so oft laufen lassen? Nur eine Scheibe Käse statt zwei? Die Öffnungszeiten reduzieren?
KEMENATE ist ein ganz besonderes Projekt, und wie die Frauenwohnungslosigkeit an sich führt es ein Schattendasein. Das PIK AS kennen alle, aber KEMENATE?
Wichtig wäre, wenn es die Möglichkeit gäbe, den Besucherinnen günstigen Wohnraum zu vermitteln. Doch das ist in Hamburg eine Illusion. Es gibt bislang ja nicht einmal genaue Zahlen über die tatsächliche Betroffenheit von Frauen. Wäre die Zahl bekannt, käme die SPD unter Handlungsdruck. Viele Frauen müssen bei Bekannten unterschlüpfen, sexuelle Dienstleistungen sind nicht selten. Die bürgerliche Welt regt sich über Prostitution im Rotlichtmilieu auf – und was findet hier statt? Kollektives Weggucken.
Die Bedürftigkeit von Frauen nach (männerfreien) Wohn- und Ruheräumen ist aber sehr groß. Viele, die kommen, sind durch Gewalterfahrungen traumatisiert und können Männer nicht (mehr) in ihrer Intimsphäre ertragen – wozu auch das Gespräch im Wohnzimmer und am Küchentisch gehört. Bei KEMENATE ist das möglich, wenigstens für ein paar Stunden am Tag.
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