Welches spezielle Interesse haben lesbische Frauen und queere Menschen beim Thema Grundeinkommen? Ist es auch für sie eine Alternative als armutsfeste Einkommenssicherung? Und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Lebenspartnergesetz und die Öffnung der Ehe? Wie halten wir es mit Abhängigkeitsverhältnissen – hat nicht jede und jeder das Recht auf individuelle Absicherung? Und vor allem: Wie lässt sich ein besseres Leben durchsetzen? Diese Diskussion führten der Lesbenverein Intervention e.V. und die Landesarbeitsgemeinschaft queer in der LINKEN Hamburg im Rahmen der Pride-Week 2014.
Seit vielen Jahren wird das Haus des CVJM an der Hamburger Alster im Sommer zum Pride-House. Eine Woche lang finden dort verschiedenste Veranstaltungen zum Christopher Street Day statt, die sich mit queeren Themen befassen. Podiumsrunden und Diskussionsforen laden Interessierte zur Auseinandersetzung ein. Das Motto des diesjährigen CSD Hamburg, „Grenzenlos stolz statt ausgegrenzt“, bot den richtigen Rahmen.
In Kooperation luden DIE LINKE Hamburg dieses Jahr zusammen mit dem Lesbenverein Intervention e.V. die Veranstaltung „Lesben/queers und Grundeinkommen“ ins Pride-House ein. Und viele, viele kamen.
Die verschiedenen Modelle eines Grundeinkommens vom solidarischen Bürgergeld bis zur sanktionsfreien Mindestsicherung, dem gesetzlichen Mindestlohn aber auch Modelle in anderen Ländern wie Norwegen wurden thematisiert – und ihre Schwächen. Die Lebensvorstellungen, die die TeilnehmerInnen mit einem Grundeinkommen verbinden, waren konkret: Ganz voran mehr Zeit für Kreativität und für Arbeit, die Spaß macht, standen dabei ganz vorn. Keine Armut mehr, keine Repression.
Aber: Muss es nicht vielmehr eine radikale Arbeitszeitverkürzung für alle geben, die die Unternehmer auch bezahlen? Warum sollen Menschen ein Grundeinkommen erhalten, die gut verdienen? Würde ein Grundeinkommen zu rapiden Lohnabsenkungen führen und die Gewerkschaften schwächen? Fragen, die beim Thema Grundeinkommen gerne ausgeblendet werden, wenn es um die Utopie eines menschenwürdigen Lebens geht. Auch die Frage, ob ein Grundeinkommen den Kapitalismus stabilisiert und damit Ausbeutungsverhältnisse, wurde nur angerissen. Aber: Ein Grundeinkommen könnte tradierte Lebensverhältnisse aufbrechen. Die Menschen würden – wenn sie nicht mehr in Konkurrenz zueinander stehen, solidarischer miteinander umgehen. Der Arbeitsbegriff, der in den letzten Jahren sowieso in der Linken und in feministischen Kreisen hinterfragt wird, würde sich neu definieren.
Was hat das speziell mit Lesben und Queers zu tun? Sie könnten einen wichtigen Beitrag leisten, ihren Kampf um die Anerkennung ihrer Lebensweise auszuweiten. Er endet nicht bei der Verwirklichung des Rechts auf Ehe und Familie.
Dass das Thema kein nationales, sondern globales ist, ist einleuchtend. Und dass gegenläufige Kräfte wirken, die bisherige soziale Schutzrechte in Frage stellen, ist geradezu hochaktuell: Die Verhandlungen um Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA. Aber auch solange Sexismus, Rassismus und Homophobie herrschen, ist die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens für Millionen Menschen ausgeschlossen. Daher ist der Einsatz für Selbstbestimmung und Verwirklichung immer in Zusammenhang mit den Zielen vieler sozialer Bewegungen zu sehen.
Es war ein solidarischer und erkenntnisreicher Abend, den Intervention und LINKE angeboten haben. Er war ein weiterer Baustein hin zu einem Miteinander, das sich nicht an der persönlichen Sexualität, Identität und Lebensweise festmacht. Dass wir nur im Bündnis stark und durchsetzungsfähig sind. Ein Bündnis, in dem jede ihre und jeder seine Sicht einbringen kann.
So wird – ganz nach Aristoteles – das Ganze mehr als die Summe seiner Teile.
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