In der Bundesrepublik Deutschland besteht bei der Geburt eines Kindes mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen (Intersex, Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung/DSD) seit dem 1. Januar 2009 keine Frist mehr, bis wann das Geschlecht laut Personenstandsgesetz offiziell gemeldet werden muss (§ 7 PStV). Es kann unbeschränkt offen gelassen werden. Der Hamburger Senat hat sich in der Drucksache 19/3438 dieser Position angeschlossen. Trotzdem ist diese Möglichkeit in der Öffentlichkeit kaum bekannt.
Daher werden auch heute noch viel zu oft und vor allem viel zu früh Kinder an ihren Geschlechtsteilen operiert. Für erwachsene Betroffene besteht sogar die Möglichkeit, ihren Geschlechtseintrag ggf. nachträglich nach § 47 PStG korrigieren zu lassen. Jedoch klagen Betroffene, in der Praxis werde ihnen dies oft unnötig erschwert oder verweigert; stattdessen würden sie auf das Transsexuellengesetz verwiesen.
Vor kurzem rügte der UN-Sonderberichterstatter über Folter in einem Bericht zu missbräuchlichen Praktiken im Gesundheitswesen, Kinder mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen würden oft genital-normalisierenden Zwangsoperationen, erzwungener Sterilisierung, unethischen Experimenten und medizinischer Zurschaustellung unterworfen, und rief dazu auf, dieser Gruppe besonderen Schutz zukommen zu lassen (A/HRC/22/53). Trotzdem werden auch in Hamburger Kinderkliniken immer noch solche Eingriffe angeboten.
Ich habe jetzt folgende Fragen an den Senat gerichtet:
1. Wie oft wurde von Hamburger Eltern seit Einführung des § 7 PStV die Möglichkeit ergriffen, die Angabe des Geschlechts beim Standesamt offen zu lassen? Was unternimmt der Senat, um auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen?
2. Wie oft wurden Personenstandseinträge bislang nachträglich korrigiert nach § 47 PStG? Was unternimmt der Senat, um für Betroffene einen reibungsfreien Ablauf zu gewährleisten?
3. Wie haben sich kosmetische Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen in den letzten drei Jahren entwickelt, namentlich Klitorisreduktionen, Vaginalplastiken, Gonadektomien, Hypospadiekorrekturen, pränatale Dexamethasontherapien?
a. Bitte die Anzahl der vollzogenen Genitaloperationen an unter 18-Jährigen angeben sowie nach Möglichkeit das Alter des Kindes bei der ersten OP.
b. Wie ist der aktuelle Umgang betreffend wiederholten Genitaluntersuchungen und medizinischem Fotografieren?
c. Was unternimmt der Senat, um künftig das Recht dieser Kinder auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung zu schützen, sowohl in öffentlich-rechtlichen wie in privaten Kliniken?
4. Inwieweit gibt es eine historische Aufarbeitung seitens der Universität Hamburg, des UKE und des Altonaer Kinderkrankenhauses in Bezug auf erfolgte Genitalverstümmelungen an Kindern und Jugendlichen mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen? Bitte Stand der Aufarbeitung darlegen und ggf. Dokumente beifügen, bzw. Quellenangaben nennen.
Die Antworten erwarte ich Anfang nächster Woche.
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